Hinter den Kulissen: André Parfenov
Interview mit André Parfenov
Den Namen André Parfenov haben Sie sicherlich schon mehr als einmal am Theater Krefeld Mönchengladbach gehört. Er spielt mit den Niederrheinischen Sinfonikern, tritt als Solist auf, unterstützt das Ballettensemble musikalisch, ist Komponist und spielt eben diese Stücke am Haus. Ein wahres Multi-Talent.
In BEETHOVEN! dem neuen Ballett von Robert North ist André Parfenov der musikalische Beethoven. Wenn Sie es noch nicht wissen, in diesem Ballett spielen gleich drei Beethovens. Musikalisch untermalt er mit seinem Klavier große Teile des Abends. Neben Stücken von Beethoven spielt er erneut eine eigene Komposition.
Lieber Herr Parfenov, Sie sind der musikalische Beethoven im gleichnamigen Ballett. Wie stehen Sie selbst zum „echten“ Komponisten und seiner Musik?
Ich gebe zu, dass es für mich ein langer Weg war, um Beethoven als Komponisten lieben zu lernen. Früher stand ich seiner Musik innerlich sehr kritisch gegenüber und habe Mozart vorgezogen. Mozart ist ein großer Melodist und Beethoven ein reiner Harmonist – seine Melodien fand ich nicht so stark. Erst später merkte ich bei meinen Auftritten – und ich habe immer sehr viel Beethoven gespielt: 10 Klaviersonaten kann ich auswendig, zahlreiche Miniaturen oder das 5. Klavierkonzert habe ich mit der Kölner Orchester-Gesellschaft e.V. im Gürzenich gespielt, davon gibt es sogar eine CD – also erst später habe ich gemerkt, dass Beethoven, trotz seiner melodischen Schwächen, eine unglaubliche Spannung in der Orchestration seiner Musik vorweist, so stark und hart, dass man eine Gänsehaut bekommt. Da fing ich an Beethoven zu lieben. Er hat eine ganz andere Sprache – vielleicht muss man erst selber eine gewisse Reife erlangen, um da hinein zu wachsen.
Ich freue mich, dass neben den bekannten Stücken von Beethoven wie die Mondschein Sonate (Klaviersonate Nr. 14 op. 27 Nr. 2 in cis-Moll), die Pathétique (Klaviersonate Nr. 8 in c-Moll op. 13) oder die Pastorale (6. Sinfonie), auch ganz besondere Stücke im Ballett vorkommen: die Fantasie Opus 77, die Bagatelle (WoO54) oder die Ecossaise Es-Dur.
Die Fantasie Opus 77 ist ein sehr interessantes Stück. Mein Professor meinte früher zu mir, die Fantasie sei kein lineares Stück. Es ist als ob die besten Themen und Melodien von Beethoven vom Tisch auf den Boden gefallen wären und er sie durcheinander aufhob und episodenhaft zusammenstellte. Damit beginnt der Abend.
Es ist nicht das erste Mal, dass Sie mit dem Ballettensemble auf der Bühne stehen und dabei ein eigenes Werk spielen. Schon bei Robert Norths TSCHAIKOVSKYS TRÄUME waren Sie musikalisch eingebunden und haben für dessen Ballett VERLORENE KINDER gleich die gesamte Ballettmusik für ein Sinfonieorchester geschrieben. Warum fühlen Sie sich der Kunstform Ballett so besonders verbunden?
Ich wurde schon sehr oft hier als Solopianist für verschiedene Ballettabende eingeteilt – bei TSCHAIKOVSKYS TRÄUME oder FÜR MEINE TOCHTER, aber auch bei meinen eigenen Kompositionen: KASIMIR MALEWITSCH, NACHTVARIATIONEN, CHAGALL-FANTASIE, PINOCCHIO, VERLORENE KINDER, SOUVENIRS AUS OST UND WEST – aber meine Hauptaffinität zum Ballett entsteht aus meiner Bewunderung für Robert North. Nicht allein für seine choreografische Arbeit, auch als Person ist Robert für mich ein Vorbild. Ich habe oft beobachten dürfen, wie er in diesem Leben mit sehr unterschiedlichen Menschen zu Recht kommt, wie diskret und delikat er ist. Er bewegt sich als Mensch auf dem höchsten Niveau. Letztendlich ist es diese Sympathie und Bewunderung für Robert North, die mich so fest hier ans Haus bindet.
Wie sind Sie dazu gekommen, für das Ballett Musik zu schreiben? Sind Sie zu Robert North gegangen und haben einfach gesagt: „Hey Robert, let me play some music for your ballet?“ Wie funktioniert das Komponieren für ein Ballett? Sehen Sie das Stück und hören dazu im Kopf schon die passende Musik oder schreiben Sie, ohne das Stück vorher gesehen zu haben?
Außerdem ist Ballettmusik für mich pure Musik, symphonische Musik. Eine Oper zu schreiben, stellt ganz andere Herausforderungen an den Komponisten. Ich wuchs mit dem großen russischen Vater der Orchestration Rimski-Korsakov auf, hier in Deutschland lernte ich die Arbeit von Strauss besser kennen und ich habe einen Einblick in das Funktionieren eines großen Orchesters gewonnen. Ich habe sehr viel mit den Niederrheinischen Sinfonikern gespielt und lernte noch mehr über die Arbeit eines Orchesters dazu. Ich fing erst mit Orchestrationen an und kam dann über meine Faszination für Roberts Arbeit zur Ballettmusik.
Inzwischen kenne ich Robert und seine Art zu arbeiten sehr gut. Wir brauchen gar nicht mehr so viel zu reden, ich kenne seine künstlerische Sprache, seine Thematik, wir verstehen uns inzwischen sehr schnell.
In der Regel kommt die Musik vor der Choreografie. Man trifft sich im Vorfeld, um über die Dramaturgie eines neuen Stückes zu sprechen – z.B. es gibt 8 Bilder, in denen das und das erzählt wird. Dann gehe ich nach Hause und entwerfe musikalische Skizzen, die ich wiederum Robert vorspiele. Er sucht sich die Stücke aus, die ihn ansprechen und wir reden über Details – da brauche ich 2 Takte mehr, hier muss es etwas breiter sein, dort brauche ich einen starken Akzent. Robert arbeitet sowieso sehr akzentuiert und merkt sofort, wenn ich bei der Überarbeitung der Musik einen Akzent weglasse oder verändere. Er hört jedes einzelne Instrument in der Musik und choreografiert danach. Wenn ich zum Beispiel bei der Orchestration in einer Phrase das Klavier mit einer Oboe ersetze, fällt ihm das sofort auf. Ihm fehlt die dramaturgische Aussage des Klaviers, die er in seiner Choreografie schon eingebaut hatte und wir einigen uns dann meistens darauf, dass das Klavier zumindest zur Oboe wieder dazu kommt!
Nur einmal haben wir anders herum gearbeitet: Für die Eröffnungsszene von PINOCCHIO hat Robert erst die Szene zwischen Gepetto und Pinocchio mit den beiden Darstellern ohne Musik inszeniert. Ich habe dann zugeschaut und am nächsten Tag Robert drei musikalische Skizzen zur dramaturgischen Erzählung vorgeführt. Davon suchte er sich eine aus. So arbeitet man zum Beispiel in der Filmbranche.
Für BEETHOVEN! habe ich die Musik für den Gegner Beethovens im Klavierduell komponiert. Es sollte technisch anspruchsvolle Musik sein, die jedoch etwas stümperhaft – primitiv klingt. Schließlich soll Beethoven ja das Duell gewinnen.
Die Boogie Woogie Szene in BEETHOVEN! wurde von Michael Grosse angeregt. Wir sind vor einiger Zeit gemeinsam aufgetreten. Ich spielte die letzte, die 32. Klaviersonate von Beethoven und Michael Grosse las aus Dr. Faustus von Thomas Mann. Beethoven komponierte diese Sonate zu einer Zeit als er schon komplett taub war und Michael Grosse war begeistert von den Jazz-artigen Abschnitten in der Musik. Für die Boogie Woogie Szene spiele ich eine Variation von Beethoven, die ganz natürlich in einer Komposition von mir mit den entsprechenden modernen Rhythmen hinübergleitet.
Neben Ihrem Engagement am Theater geben Sie noch eine Vielzahl von Konzerten als Solist und Parfenov-Duo. Zudem haben Sie einen Lehrauftrag an der Leipziger Musikhochschule Felix Mendelssohn-Bartholdy. Wie bekommen Sie diese ganzen Aufgaben gestemmt?
Wenige wissen, dass ich seit 6 Jahren kaum einen freien Tag hatte. Das Theater ist nicht daran schuld – ich verwende meine Freizeit zum Unterrichten und für Konzerte. Man muss gut organisiert und sehr diszipliniert sein. Ich bekomme meine Termine vom Theater weit im Voraus und weiß, wann ich Zeit habe oder wann ich vielleicht einen Gastpianisten für das tägliche Training des Ballettensembles, das ich auch begleite, organisieren muss. Ansonsten sind die Proben mit dem Ballett in der Regel tagsüber und die Konzerte am Abend – das passt!
Für die Musikhochschule in Leipzig opfere ich meinen freien Montag. Ich stehe immer um halb vier auf, sitze um 6:30 Uhr im Flugzeug nach Leipzig. Angekommen, trinke ich schnell eine Tasse Kaffee und unterrichte dann vierzehn Studentinnen und Studenten. Ich unterrichte vier verschiedene Fächer: Klavier, Klavierimprovisation, Partitur lesen und Arrangement, je nachdem was gerade anfällt. Abends geht es dann schon zurück nach Mönchengladbach.
Dazu kommt die Arbeit mit meiner Agentur als Solist und mit Iuliana Münch als >> Parfenov Duo – die Konzerte sind mir sehr wichtig und werden erfreulicherweise immer mehr. Dieses Jahr sind wir wieder zum Festspiel in Schleswig-Holstein eingeladen und nehmen schon unsere vierte CD auf. Es freute uns sehr, dass unsere letzte CD für den Opus-Preis nominiert wurde.
Es ist alles viel Arbeit, aber, obwohl ich manchmal nach einem langen Unterrichtstag in Leipzig Sprachschwierigkeiten habe, kann ich mich noch bewegen! Irgendwie klappt es!
Was Sie schon immer sagen wollten – Ihr Auftritt!
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